„Man weiß nie, ob man sich wiedersieht, aber ich verspreche, wir geben heute alles“, verkündet Leonard Cohen zu Beginn seines Auftritts in der Oberhausener Arena, dem ersten von vier Deutschland-Terminen. Er hält sein Wort: Während hippe Bands beim Clubkonzert schon nach kurzer Zeit von der Bühne huschen, bleibt der 78-jährige Kanadier drei Stunden.

Gemütlich hat er es sich gemacht und mit Perser-Teppichen die Halle in ein Wohnzimmer verwandelt, in dem die Zuhörer der Songwriter-Größe ganz nah sind. Und dieser trägt seinen Teil dazu bei, gibt sich sympathisch, warmherzig und offenbart viel Humor.

Bei „Tower of Song“, dass Cohen am Keyboard begleitet, bekommt der Auftritt schon fast Comedy-Charakter. Während ihn ein automatisch abspielender Rhythmus unterstützt, klimpert er eine kleine Melodie. Das Publikum klatscht begeistert. „Glauben Sie, das ist alles, was ich kann?“ fragt er und rutscht mit den Ellbogen über die Tasten. Aber Leonard Cohen hat nicht nur Witz, sondern auch Charakter, ist mit Anzug und Hut eine elegante Erscheinung, zeigt sich poetisch, sozialkritisch und politisch. Er ist ein Kosmopolit und Vertreter der Weltmusik.

Einerseits schart er Ausnahmekünstler verschiedener Nationen in seiner neunköpfigen Band um sich, wie etwa den spanischen Gitarristen Javier Mas oder den moldawischen Violinisten Alexandru Bublitchi. Andererseits spiegeln sich viele musikalische Einflüsse in seinen Songs wider: „Who by Fire“ etwa beginnt mit meisterhaft vorgetragenen spanischen Klängen an der von Mas gespielten Archilaud. Das Marathonstück „Amen“ ist stark vom Blues geprägt, mit einem sehnsuchtsvolles Orgelspiel im Mittelteil, bei dem Cohen den Hut abnimmt und ihn andächtig an sein Herz hält.

Die Uptempo-Komposition „Lover Lover Lover“ geht ganz in Americana-Klängen auf, da fehlen nur noch Kakteen und der umherwehende vertrocknete Grasbüschel. „Heart with No Companion“ bleibt im Wilden Westen, kombiniert Country mit Lagerfeuer-Romantik. „The Partisan“ kommt als Wanderlied daher, dessen Gitarren- und Violinklänge den Wunsch nach Freiheit atmen, und in „I’m Your Man“ sowie „Take This Waltz“ präsentiert sich Cohen als Chansonier.

Immer wiederkehrend sind die Posen, die der Kanadier einnimmt. Bei „Everybody Knows“ etwa geht er auf die Knie. Dann steht er mit geschlossenen Augen da, wippt hin und her und wiegt den Kopf im Rhythmus, als sei er in seine ganz eigene Welt abgetaucht.

Bei „Hallelujah“ bricht der Liedermacher immer wieder aus der Song-Struktur aus und verwendet die Melodie nur noch als Gerüst, an das er sich mit seiner tief sonoren Stimme gelegentlich anlehnt. Das macht Lust auf mehr. Im zweiten Set folgen weitere Cohen-Klassiker. Bei „Suzanne“ zünden die Fans Wunderkerzen an. „Sisters of Mercy“ wird mit einem Raunen in der Menge eingeleitet. Bei „Waiting for a Miracle“ fliegen die ersten Blumen auf die Bühne.

Zum Ende hin haben auch die Background-Sängerinnen ihren großen Moment. Sharon Robinson trägt „Alexandra Leaving“ mit viel Schwermut vor und sorgt für einen besonderen Gänsehaut-Moment. Die Webb-Sisters, Charlie und Hattie, spielen mit Gitarre und Harfe sowie glockenklarem Gesang „If It Be Your Will“.

Bei den Zugaben wird die Bestuhlung der Arena kurzerhand aufgehoben. Reihenweise stürmen die Fans nach vorne. „So Long, Marianne“ läutet die Schunkelzeit ein, bei „First We Take Manhattan“ sind schließlich alle außer Rand und Band. Leonard Cohen freut sich, lacht ergriffen. „Holen Sie sich auf der Heimreise keine Sommergrippe“, verabschiedet er sich. Dann hüpft er wie ein trabendes Pferd von der Bühne.