Lionel Richie ist als umtriebiger Musiker bekannt, medial präsent und gerne auf Tour, wenn auch seine großen Solo-Erfolge rund 30 Jahre zurückliegen. Anlass für seine Tuskegee-Konzertreise ist das zehnte Studioalbum des US-Sängers. Darauf interpretiert und arrangiert er seine größten Erfolge neu. Deshalb ist die Show in der Oberhausener Arena auch so etwas wie ein Best-Of des 63-Jährigen.

Richie ist gut drauf und sympathisch, wie man ihn kennt. Auch das Publikum vergisst schnell die halbstündige Verspätung, die sie zuvor mit Pfiffen kommentiert hat. Beste Voraussetzungen also für eine rund zweistündige Zeitreise zum Funk der Commodores und Richies Pop-Meisterwerken der 80er und 90er Jahre.

Anfangs allerdings ist dem Sänger die Arena noch zu still. „Bin ich der einzige, der schwitzt? Das gefällt mir nicht. Ich will, dass heute Abend alle erschöpft sind!“ fordert Richie zu Beginn mit breitem Lächeln. Und tatsächlich: Als ihm nach wenigen Minuten dicke Schweißperlen über die Wangen rinnen, sitzen viele der rund 10.000 Zuhörer noch brav im bestuhlten Rund. Nach einer kurzen Anlaufphase ändert sich dass aber schnell. Und als Richie begleitet von seiner fünfköpfigen Live-Band die Luftgitarre auspackt, werden zwischen den Stuhlreihen ausgelassen alte Tanzschritte neu ausprobiert. „Ich habe seit 1984 niemanden mehr so tanzen gesehen“, gesteht Richie schließlich und imitiert das Armeschwingen seiner Fans und sogar das Brüstehüpfen des weiblichen Besuchs. „Oh, mein Gott“, stottert er.

Schüchtern ist der Sänger nicht. Er nützt seine Show auch, um sein Können als Lionel Richie gastiert in Oberhausen Stand-Up-Comedian vorzuführen, scheint es. Er wolle so viele Songs spielen, wie ihm einfallen, verkündet er zu Beginn. Allerdings seien das nicht mehr so viele. Als würde es bei der Rekapitulation seines musikalischen Schaffens helfen, lässt er sich am Klavier sitzend Schampus bringen und gesteht nach einigen Songs und mehrmaligem Nippen: „Am Ende der Show werde ich mich nicht mehr an die Show erinnern. Aber ihr wart wundervoll, während ich hier war.“

Einen Song kündet er wie einen Running Gag schon vom Start weg immer wieder an, wenn er in seinen Ansprachen die drei Worte „All Night Long“ erwähnt. Allerdings müssen sich die Zuhörer bis zum Schluss gedulden. Dann singt Richie seinen 83er Charts-Hit – mit einer Extra-Portion Elan. Zuvor schon hat der Entertainer tief in seinen Song-Fundus gegriffen. Die Commodores- Klassiker „Three Times a Lady“ und „Easy“ zum Beispiel, „My Destiny“, „Say You, Say Me“ und selbstverständlich „Hello”. Im Medley bestehend aus „Sail On”, „Fancy Dancer“, „Sweet Love“ und „Lady (You Bring Me Up)“ sorgt Richie für die geballte Funk-Ladung der Commodores, zu deren Gründungsmitgliedern er 1968 gehörte.

Ein Überraschungsgast stößt bei „Angel“ zu Lionel Richie. Schlagersängerin Andrea Berg – beide haben sich im ZDF-Abendprogramm kennengelernt – unterstützt den Sänger beim Duett, das vom Schlager-Genre gar nicht so weit entfernt ist, mit beeindruckend stimmlicher Leistung. Diana Ross konnte er nicht zu einer Reise nach Oberhausen überzeugen. Deswegen übernahmen die Damen im Saal ihren Gesangspart in „Endless Love“. Ein Schmankerl beim entspannten Nostalgie-Abend in Oberhausen.