Herbert Grönemeyer / Köln / 13.3.2019

Herbert Grönemeyers neues Album ist ein Zeitdokument. Es zeichnet das Bild einer Phase, die ungemütlich und herausfordernd ist, die geprägt ist von einem Rechtsruck und einer Werte verlierenden Gesellschaft. „Tumult“ heißt die Platte und spiegelt Grönemeyers Gefühlswelt und die vieler anderer Menschen wider. „Tumult“ ist allerdings auch eine gute Beschreibung für das, was sich bei den beiden Konzerten des Sängers in der Kölner Lanxess-Arena zuträgt.

Im positiven Sinn natürlich. An zwei Tagen ist die Halle mit jeweils rund 16.000 Zuhörern ausverkauft. Dicht drängen sie nach vorne und an den in die Arena-Mitte hineinreichenden Steg heran, um den rund dreistündigen Auftritt des 62-Jährigen aus nächster Nähe zu verfolgen. Sie jubeln ihm zu, singen mit, und vor allem tanzen sie zu Songs wie „Männer“, „Lebe mit mir los“ und „Fisch im Netz“. Die Fans werden zu einer wabernden Masse, sie werden eins.

Es ist das, was Herbert Grönemeyer erreichen will: Gemeinschaftlichkeit statt Isolation. Auch „Tumult“ ist eine Ansage gegen Ausgrenzung. Wenn Herbert Grönemeyer Stellung bezieht, tut er dies in positivem, lebensbejahendem Ton, wie etwa im Song „Doppelherz/Iki Gönlüm“, den er sowohl auf dem Album als auch live mit dem Berliner Künstler BRKN präsentiert. Der Song ist lustvoll und locker, er ist völkerverständigend, mehr noch: Er ist völkerzusammenbringend.

Auch wenn wir in unruhigen und aufwühlenden Zeiten leben: Grönemeyer bleibt Optimist. Es kann sich etwas ändern. Die Gesellschaft ist in der Lage, die Situation zu meistern. Aber dafür muss man den Mund aufmachen und sich positionieren. Das spricht er in „Bist du da“ an, einer Rocknummer, die einen nicht nur musikalisch am Schlafittchen packt, sondern auch inhaltlich.

„Es steht nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut, der Zeitpunkt ist noch günstig, dass sich was tut“, singt Grönemeyer darin. Bessere Zeiten sind möglich, aber man muss den Moment ergreifen, um für Veränderungen zum Guten hin zu sorgen. Herbert Grönemeyer ist voller Hoffnung. Und er ist bestens aufgelegt in Köln – und wie immer zu Späßen aufgelegt.

„Wir haben eine Umfrage gemacht und wollten wissen, warum Menschen überhaupt zu unserem Konzert kommen. Drei Prozent kommen wegen der Lieder, fünf Prozent wegen der Texte, 17 Prozent wegen meines unglaublichen künstlerischen Potenzials und 33 Prozent wegen meiner unfassbaren Optik“, berichtet er mit einem Augenzwinkern und lässt die Hüften kreisen.

Unterstützt wird Grönemeyer von einer achtköpfigen Band. Im Background singt auf der Tour Pit Hupperten von der Kölner Mundartgruppe Bläck Fööss. Grönemeyer hat noch mehr Berührungspunkte mit der Domstadt. „Ich habe hier zwei Jahre gelebt“, berichtet er. „Und isch kann auch wat Kölsch“, meint er im rheinischen Singsang.

Nimmermüder ist der Künstler auf der Bühne unterwegs, schreit seine Freude hinaus über die ihm entgegengebrachten Sympathiebekundungen. Ungläubig schüttelt er den Kopf, als schon kurz nach Konzertbeginn der Applaus einfach nicht enden will. Noch einige Konzerte stehen auf seiner Tour bis Ende März auf dem Programm. Zeit, sich Schulterklopfer abzuholen, gibt es noch eine Menge. Einige Open-Airs sind für den Sommer geplant. Jeder einzelne Auftritt hat es in sich: Drei Mal kehrt Grönemeyer nach dem regulären Set auf die Bühne zurück. Mehr als 30 Songs bekommen die Fans zu hören.

Herbert Grönemeyer ist in mehrfacher Hinsicht, nicht nur was die Ausdauer angeht, ein Phänomen. Neben Marius Müller-Westernhagen, Peter Maffay und Udo Lindenberg gehört er seit vielen Jahrzehnten zu den Granden der deutschsprachigen Rockmusik. Seit „4630 Bochum“ von 1984 sind alle elf erschienen Alben des Sängers auf Platz eines in den deutschen Charts gelandet – was vor allem an Grönemeyers Gespür für Hits liegt.

Die meisten Songs kommen an diesem Abend logischerweise vom Album „Tumult“. Grönemeyer selbst scheint derart glücklich mit seiner jüngsten musikalischen Arbeit zu sein, dass es gleich elf Stücke davon ins Konzert schaffen, allen voran die Single „Sekundenglück“. Aber natürlich kommen auch die Fans älterer Songs auf ihre Kosten. „Halt mich“, „Bleibt alles anders“ und „Mensch“ gehören ebenso dazu wie eine Jazz-Version von „Flugzeuge im Bauch“, „Land unter“ und „Mambo“.

Am besten ist Herbert Grönemeyer, wenn er die ruhigen Töne anschlägt und an der Spitze des Stegs an einem Piano Platz nimmt. „Stück vom Himmel“, „Morgen“ und „Der Weg“ stehen stellvertretend für große Gefühle. Nach dem Konfettiregen beim ausgelassenen „Zeit, dass sich was dreht“ endet der Auftritt dann auch ganz besinnlich mit „Immerfort“.