Billy Talent / Düsseldorf / 9.10.2012

Das Ende der Welt nach dem letzten alles vernichtenden Krieg besingen die Kanadier Billy Talent im Song „Dead Silence“ auf ihrem frisch erschienen gleichnamigen Album. Als Antiphrase verleiht der Titel dem neuen Machwerk auf der Metaebene gleichsam einen ironischen Touch. Denn totenstill ist das Quartett beileibe nicht. Brachial wie auf allen Alben geht es auch beim Tour-Stopp in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle zu.

Billy Talent führen ein erfolgreiches zweites Leben: Begonnen hat die Band ihre Karriere mit Rap-Texten und Ska-Einflüssen in der Schulzeit als Pezz. Der Namensstreit mit einer US-amerikanischen Band brachte nicht nur die Umbenennung, sondern auch eine musikalische Veränderung mit. Glücklicherweise. Mit ihrem treibenden Rock-Hardcore-Punk-Mix hat die Band seitdem einen unvergleichlichen Stil entwickelt und ihre Nische im Rock-’n‘-Roll-Geschäft gesichert.

Wie sie den eigenen Status einschätzen, zeigen die Kanadier um Frontmann und Sänger Benjamin Kowalewicz in Düsseldorf unverblümt: In riesigen Lettern prangt der Bandname im Bühnenhintergrund. Und wichtig sei ihre Musik sowieso, erklärt der 36-Jährige: Sie kämen gerne nach Deutschland, denn die Menschen dort schätzten immer noch gute Rock-’n‘-Roll-Musik. Das sei auch nötig, denn: „Es gibt so viel Bullshit auf dem Planeten.“

Ein gesundes und gefestigtes Selbstverständnis hat noch niemandem geschadet. Die Band kann es sich leisten: Schon nach wenigen Takten verwandelt sich die teilweise bestuhlte ehemalige Philipshalle in ein Stadion mit reinen Stehplatztribünen. Ein schweißtreibender, wenn auch recht kurzer Auftritt steht den Fans bevor. Nur rund achtzig Minuten geben Billy Talent ihren Anhängern. Da heißt es Ranhalten für Kowalewicz, der als rockendes Rumpelstilzchen am Bühnenrand wütet, den Gitarristen Ian D’Sa mit markantbekannter Steil-Frisur, Jonathan Gallant am Bass und Schlagzeuger Aaron Solowoniuk.

Immerhin soll in 19 Songs eine geballte Mischung aus vier Billy-Talent-Alben im Set untergebracht werden. Und so reiht sich zwischen eingestreutem Smalltalk mit dem Publikum – selbst da steht Kowalewicz unter Strom – ein Hit aus der kanadischen Schmiede an den anderen, im Ergebnis ein irres Songstakkato, ideal zum Holzhacken: „Devil on My Shoulder“, das den Kampf mit dem inneren Teufel austrägt, ist eine der Nummern, ebenso wie „Diamond on a Landmine“, in dem ausweglose Hörigkeit und Unterwerfung thematisiert werden.

„Viking Death March“, das den Aufstand gegen Establishment, Politik und Banken probt, reiht sich nahtlos ein, ebenso wie „Fallen Leaves“, Billy Talents Auseinandersetzung mit dem Thema Drogensucht und „Red Flag“ zum Abschluss, bei dem die Band gesanglich von Anti-Flag-Bassist Chris #2 unterstützt wird. Den eingangs erwähnten Abgesang auf die sich auslöschende Zivilisation, den Endzeit-Brocken „Dead Silence“, lassen Billy Talent leider aus. Der beste Titel der aktuellen Platte hätte den Abend perfekt abgerundet. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau.