Aha, da ist dieser Pete Doherty doch genauso wie man ihn aus Yellow Press und Promi-Klatsch-TV kennt. Fast pünktlich wankt er auf die Bühne der seit langem ausverkauften Live Music Hall in Köln. Die Babyshambles starten ihre Deutschland-Tour. Schon beim zweiten Song fliegt der Mikrofonständer ohne Vorwarnung ins Publikum. Nur eine Nummer später segelt der 34-Jährige selbst hinterher und muss aus den Fängen seiner Fans befreit werden.

Darauf eine Margarita oder was auch immer da rot im Becher schwimmt – Hustensaft wird es jedenfalls nicht sein. Mehrere randvoll gefüllte Becher sind nebeneinander aufgestellt. Der Brite braucht nicht bis zum Ende des rund 80-minütigen Sets, um den Vorrat zu vernichten. Dabei hat es den Anschein, dass schon in der Garderobe die ersten Flaschen aufgezogen wurden, anders lässt sich Dohertys Auftritt nicht erklären. Er ist vor allem dilettantisch, gleichzeitig aber ungemein unterhaltsam – wenn man sich darauf einlässt. Das Gitarrenspiel bekommt er gerade noch so hin, überlässt es in vielen Fällen aber sicherheitshalber gleich seinem Kollegen Mick Withnall. Und der Gesang? Abgesehen von wenigen Momenten wäre der Musiker mit seinem schrägen, unkontrollierten Genuschel und Gejammer bei jeder Talentshow durchgefallen.

Glück hat er, der kauzige Geselle, dass beim Auftritt des Londoner Quartetts die Musik gar nicht so wichtig ist, weil seine Einlagen beim Publikum von viel größerem Interesse sind und für irritiertes Staunen sorgen. Wenn der Sänger mal wieder über den klebrigen Bühnenboden rutscht, werden die Hälse der Fans länger. Zum Durchschnaufen nimmt er regelmäßig neben dem Schlagzeug Platz, rauft sich die Haare und legt den Kopf für Flüssiges in den Nacken zu legen. Dann dreht er wieder Pirouetten, verkrümmt sich zum britischen Abbild Quasimodos und humpelt schweißüberströmt als Buckliger durchs Bild.

Wahrscheinlich will es Pete Doherty gar nicht anders, aber das kompositorische Talent wäre da, ein ganz großer Musiker zu werden. Das Händchen für erstklassige Indierock-Perlen hat er allemal. Und in einigen Momenten kommt sein Können dann auch zur Geltung, zum Beispiel bei „Fall from Grace“. Da ist er zwar nicht sonderlich textsicher, legt aber mit seiner Band, deren Mitglieder allesamt nicht über den Status von Statisten hinauskommen, eine locker-flockige Nummer hin, die richtig Spaß macht. „Farmer’s Daughter“ ist das beste Stück vom aktuellen Album „Sequel to the Prequel“ und auch auf Konzerten ein Brett mit seiner einfachen, fast kindlichen Melodie und einem gewaltigen hymnischen Refrain. Das klingt in der Halle lange nicht so sauber wie auf Platte, bringt aber live einen ganz eigenen Charme mit.

„Penguins“ hat auch etwas Spezielles mit seinen stillen Momenten. Doherty sitzt einfach da, artikuliert sich bruchstückhaft ins Mikro und plumpst dann einfach um. „8 Dead Boys“ dagegen geht mit treibendem Gitarrenspiel und am Ohrwurm kratzender Melodie energievoll geradeaus. Zwischendurch bleibt Zeit für ein wenig Reggae, etwas Punk und sogar Sprechgesang. Als Zugaben gibt es ein richtig gutes „Blitzkrieg Bop“-Cover von den Ramones und die Nummer, auf die alle gewartet haben: „Fuck Forever“, in der Regel der traditionelle Abschluss eines jeden Babyshambles-Konzerts dank des außerordentlichen Mitgröl-Potentials.

Es ist Abend, der in Erinnerung bleibt. Weniger bei Pete Doherty, dafür umso mehr beim Publikum. So etwas gibt es nicht alle Tage zu sehen und zu hören.