Eigentlich wollte Marius Müller-Westernhagen das Mikro längst an den Nagel gehängt haben. Live-Auftritte, das hatte sich der 63-jährige Düsseldorfer schon vor über zehn Jahren fest vorgenommen, sollte es nicht mehr geben. Warum er es sich doch anders überlegte, verrät er beim „Hottentotten“-Konzert in der Oberhausener Arena.

2003 habe er auf eben dieser Bühne gestanden und für sein Lebenswerk ausgezeichnet worden, berichtet er. Da habe er sich gedacht, dass es das nicht gewesen sein kann. Gut so, denn beim Konzert beweist er, dass es die richtige Entscheidung war, die Karriere fortzusetzen.

Vielleicht nicht aus modischer, aber aus musikalischer Sicht umso mehr: Nur äußerlich wirkt Westernhagen mit pastellfarbenem Hemd und blauem Seidenschal wie ein Alt-Hippie, musikalisch präsentiert er sich wie ein Jungspund. Wenn er leichtfüßig tänzelnd oder im Stakkato-Schritt seine Runden dreht, ist die Bühne gerade groß genug. Dann wackelt er mit dem Hintern, kreist mit den Hüften und gibt sich gestenreich.

Nach Oberhausen mitgebracht, hat der Musiker einen Querschnitt seines Schaffens. Logisch, immerhin kann Westernhagen aus 18 Studioalben und vielen Hits schöpfen. Die wichtigsten sind an diesem Abend selbstverständlich dabei: „Fertig“ etwa, Westernhagens knallharter Abgesang auf eine gescheiterte Liebes-Beziehung. Oder „Willenlos“, die humorvolle Beschreibung der Unfähigkeit, Frauen widerstehen zu können. Oder auch das schnelle „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ mit Blödeltext.

Erster Höhepunkt ist aber „Taximann“ vom 1975er Album „Das erste Mal“. Daran lässt die Resonanz des stimmgewaltigen Publikums keinen Zweifel aufkommen. Die Fans haben Lust, mitzumachen und nehmen dem Sänger die Arbeit ab. Das sind die Gänsehaut-Momente, für die jeder gekommen ist – und von denen es noch einige geben wird.

Beim Klassiker-Doppel kurz vor Ende etwa. Zunächst gurgelt Westernhagen in bester Manier „Sexy“, während sich auf der Leinwand eine überdimensionale Gogo-Tänzerin entblättert. Dann folgt das hymnische „Wieder hier“, einmal mehr mit der lautstarken Unterstützung seiner Fans. Auf die kann er sich verlassen: Bei „Freiheit“, der Westernhagen-Ballade schlechthin, folgt ein eben solch magischer Moment, wenn die Arena die Choraufgabe übernimmt.

Unterstützt wird Westernhagen auf seiner erstmals 2010 umgesetzten „Hottentotten“-Tour von neun Musikern, darunter drei Gitarristen. Die Idee dahinter war, mit talentierten Blues- und Rock-’n‘-Roll-Musikern auf einer Bühne zu stehen und die Westernhagen-Klassiker in ein neues musikalisches Gewand zu hüllen. Es seien die besten Instrumentalisten, mit denen er jemals zusammengespielt habe, lobtder 63-Jährige. Einwände gibt es keine. Aus Großbritannien, den USA und Deutschland hat sich der Düsseldorfer tatsächlich Könner in die Band geholt. Und diese spielen nicht nur balladesk auf, sondern rocken auch ordentlich: Bei „Mit 18“ zum Beispiel, bei dem Westernhagen zur Mundharmonika greift, bei „Krieg“ mit seinen fetzigen Saxophon-Klängen oder beim bluesigen Stampfer „Schnauze voll“.

Bevor die goldenen Glitzergirlanden zum Abschluss mit einem lauten Knall ins Halleninnere geschossen werden, wird es aber noch einmal heimelig. Beim nahezu 35-jährigen Schunkler „Johnny Walker“ darf ein letztes Mal mitgesungen werden, und die Zuhörer zeigen sich – wie sollte es auch anders sein – textsicher. „Johnny Walker, du hast mich nie enttäuscht“ heißt es in Westernhagens Lied. Das gleiche werden die Fans auch von ihrem Meister sagen.

(erschienen am 16.09.2012 im Westfälischen Anzeiger)